Wohnrecht für die Jäger der Nacht (Schattenreich)
Wohnrecht für die Jäger der Nacht
Von unserem Redaktionsmitglied Marlies Steffen
Auf dem Gelände der Munitionsanstalt Fürstensee gibt es erste Abrissarbeiten, aber es werden auch Wohnungen gebaut.
Neustrelitz.„Zurück zur Natur“ – an diesem Leitsatz wird dieser Tage auf dem Gelände der Munitionsanstalt Fürstensee gearbeitet. Gebäude und Betonsohlen werden abgerissen. Allerdings wird nicht alles dem Erdboden gleich gemacht. Fledermäuse erhalten in einigen der alten Mauern Wohnquartiere. Eine auf diese Belange spezialisierte Firma aus Bad Doberan verschließt Gebäudeöffnungen so, dass die Jäger der Nacht über Einflugschlitze einkehren können. Inhäusig werden zudem Kästen verschiedener Größe eingesetzt, die Fledermäusen als Wohnung dienen sollen. Andere Rückzugsorte, wie Löcher in den Wänden oder Nischen unter abgebröckeltem Putz sind schon vorhanden.
Die neu entstehenden Quartiere sind Ausgleichsangebote für jene Fledermauswohn-Objekte, die auf dem Muna-Gelände abgerissen werden.
Täglich ist ein ökologischer Baubetreuer vor Ort, um sich vom ordnungsgemäßen Fortgang der Arbeiten zu überzeugen. Wie beständig Fledermäuse auf der Muna leben, das wird in einem auf drei Jahre ausgelegten Prüfprozess untersucht. Für die Arbeiten jetzt ist allerdings nicht mehr viel Zeit. Nur noch bis Anfang Oktober darf aus Naturschutzgründen in den Objekten gearbeitet werden. Denn auf die geschützten Flieger muss nicht gewartet werden. Die Gebäuderuinen der Muna sind wegen ihres Leerstands seit fast 20 Jahren längst zum Lebensort für die Jäger der Nacht geworden.
Gearbeitet wird jetzt, weil zwischen Mitte September und Anfang Oktober die meisten Fledermäuse ausgeflogen sind. Die Mütter sind mit dem Nachwuchs aus den Wochenstuben unterwegs, die Winterschläfer kommen erst demnächst an.
Parallel zu den Naturschutzmaßnahmen finden erste Abbrucharbeiten statt. Im kommenden Jahr würden diese fortgesetzt, kündigte Klaus Reimers vom Bundesforstbetrieb Vorpommern-Strelitz in dieser Woche bei einem Rundgang mit dem Nordkurier an. Reimers erinnert dabei auch daran, dass in den Jahren zuvor alle Bemühungen des Bundes die Flächen zu veräußern, nicht gefruchtet hatten.
Auch für die Kerngebäude, für die es Absichten gab, sie durch eine seriöse politische Organisation oder einen entsprechenden Verein einer Nutzung zuzuführen, ist kein Interessent gefunden. Zwar stehen Gebäude, wie die Munitionsarbeitshausgruppe, die Packmittelhäuser und die Hülsenwäsche noch auf der Denkmalliste des Landes. Sollte sich jedoch bis zum kommenden Jahr kein seriöser Interessent für die Nutzung der Gebäude finden, werden sie auch abgerissen. Die öffentliche Sicherheit werde dann über die Belange des Denkmalschutzes gestellt, sagte Klaus Reimers.
Die aktuellen Pläne sehen vor, die Muna in einem 60Hektar großen Bereich ab dem Jahr 2015 wieder öffentlich zugänglich zu machen. In die Häuser dürfen allerdings nur die Fledermäuse. Die jetzt noch vorhandene hässliche Mauer an der nördlichen Muna-Seite wird verschwinden. Im hinteren Bereich wird aber eine neue Sperre errichtet. Das rund 250 Hektar große Gelände ist in seinem südlichen Teil nach wie vor erheblich munitionsverseucht.
Mit den jetzt in Gang gekommenen Arbeiten ist der Betrieb für Bau und Liegenschaften des Landes beauftragt worden. Der hat auf dem Gelände rund 150 Objekte erfasst, die zum Teil schon gar nicht mehr sichtbar sind. Die Natur hat sich längst einen Teil des Geländes zurück erobert, selbst auf einigen Dächern wachsen mittlerweile Birken und Kiefern.
Zurückgebaut werden auch etliche überwucherte betonierte Bodenflächen. Um sie wieder freilegen zu können, mussten in den vergangenen Wochen auch Bäume gefällt werden.
Das Muna-Gelände ist zwar nach wie vor eingezäunt, allerdings hindert es offenbar abenteuerlustige und sehr leichtsinnige Zeitgenossen nicht daran, das Gelände zu betreten. Graffiti-Malerei kündet davon. Mindestens ein Fall von Geocaching ist der Bundesforst bekannt geworden. Bei der gerade modern gewordenen Form der Schatzsuche war jemand aufgefordert worden, in einem der Gebäude herumzuklettern, um einen dort in einem Karton versteckten Gegenstand zu finden.
Die Rückbaukosten der Hochbausubstanz und die für die Artenschutzmaßnahme trägt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die Entsiegelung der Betonflächen und Gebäudesohlen kann abschnittsweise als Ausgleich bei Baumaßnahmen der Straßenbauverwaltung angerechnet werden.
Und jede Menge Platz für Fledermausquartiere wird auch künftig noch auf dem Gelände sein. Allein die zahlreichen kleinen und großen Bunker seien dafür prädestiniert, sagt Klaus Reimers. Übrigens gibt es auf dem Gelände auch immer noch einige wenige Zeugen russischer Vergangenheit. An einem der Häuser, vermutlich war es für Kinder gedacht, ist zwar der Putz komplett weg und der nackte Ziegel zu sehen. Eine einst als Zierde angebrachte „steinerne“ Blume hat aber alle Stürme der Zeit überstanden. Und dass die Muna durch die russischen Militärs als Tanklager genutzt wurde, das riecht der Besucher an einigen Stellen immer noch. In der 1937 von den Nazis errichteten Munitionsanstalt Fürstensee wurde Flakmunition hergestellt. In Deutschland gab es bis 1945 19 Lufthauptmunas und insgesamt 60 Luft-Munitionsanstalten. Im Einzugsbereich der Bundesforst Vorpommern-Strelitz befinden sich auch ehemalige Anstalten in Demmin, Seltz und Löcknitz. Inwieweit die Muna-Gebäude in Fürstensee noch erhaltenswert sind, darüber scheiden sich die Geister schon seit Jahren.
Kontakt zur Autorin: m.steffen@nordkurier.de